Schweizer Städte sind in der Regel kleinräumig angelegt, entsprechend mangelt es ihnen an großflächigen Plätzen.
Mit der zum Sechseläutenplatz umgestalteten Sechseläutenwiese darf sich Zürich nun aber eines neuen repräsentativen und mit dem „Deutschen Natursteinpreis 2015“ ausgezeichneten Außenraumes rühmen, der in Ausdehnung und Ausdruckskraft seinesgleichen sucht.
Offen, großzügig, elegant, aber nicht aufdringlich - mit dem Sechseläutenplatz habe Zürich einen einzigartigen Begegnungsort erhalten, der zur Stadt passt. So lautete das Lob von Corinne Mauch, Zürichs Stadtpräsidentin. Mit diesem Lob stand sie nicht allein. Bei der Einweihung im April 2014 erhielt der Platz sehr gute Noten - sowohl von Politikern, Architekten, den Medien als auch aus der Bevölkerung und von auswärtigen Besuchern. Inzwischen ist er zu einem gerne aufgesuchten Treffpunkt geworden. Dabei präsentierte sich das zwischen dem innerstädtischen Verkehrsknoten Bellevue und dem Zürcher Opernhaus gelegene 6 000 m² große Grundstück noch vor wenigen Jahren als unwirtlicher Raum. Etwa ein Drittel diente als Parkplatz für das Opernhaus, der große Rest - eine meist schmutzig wirkende Wiesen- und Kiesfläche - als Veranstaltungsort.
Ein politischer Zankapfel
Mit der Neugestaltung beschäftigen sich die Stadtbehörden seit den 1990er-Jahren, doch war das Bauvorhaben aus politischen Gründen lange blockiert, weil sich die Parteien über die Zahl der oberirdisch aufzuhebenden und der in einem unterirdischen Parkhaus als Ersatz neu zu schaffenden Parkplätze stritten. 2001 schrieb die Stadt einen öffentlichen Wettbewerb aus, den das Zürcher Büro Vetschpartner Landschaftsarchitekten AG für sich entscheiden konnte. Auf der Grundlage des Projekts sprachen sich die Zürcher in einer Volksabstimmung für eine Neugestaltung in der jetzt realisierten Form aus. Dies bedeutete: Ersatz von knapp 300 oberirdischen Parkplätzen im neuen Parkhaus Opera und damit verbunden eine einheitliche Umgestaltung des gesamten Grundstücks zwischen Opernhaus und Bellevueplatz zu einem repräsentativen öffentlichen Platz.Während mit dem Parkhausbau bereits im Jahr 2009 begonnen werden konnte, kam es beim Teilprojekt Platzgestaltung nach Vorliegen der Detailplanung zu politischen Auseinandersetzungen. Der deutlich positive Ausgang einer zweiten Volksabstimmung im Herbst 2013 über einen Ausführungskredit von 17,2 Mio. Schweizer Franken (etwa 16,5 Mio.€) machte dann aber den Weg für den Bau des Sechseläutenplatzes endgültig frei.
Schweizer Präzision
Drei Prinzipien standen für Landschaftsarchitekt Walter Vetsch bei der Platzgestaltung im Vordergrund: die optische Öffnung durch einen großflächigen, einheitlichen Natursteinbelag, die Begrünung in Form von 51 hochstämmigen Bäumen innerhalb von mehreren dezentral angeordneten Kiesinseln sowie die flexible Nutzung. Es ging uns darum, einen leeren Platz zu schaffen, der dem Volk und nicht den Events gehört", erklärte er in einem Zeitungsinterview. „Unsere Idee war es, dem Opernhaus eine Bühne zu geben und den Bodenbelag sinnbildlich ins Freie hinaus zu verlängern. Jetzt steht die Oper am Platz — und nicht mehr hinter einer Straße mit Parkplatz." Der lebhaft strukturierte, grünlichgraue Valser Quarzit in Form eines Steinriemenparketts ist das am stärksten prägende Element des neuen Platzes. In Zusammenarbeit mit Erich Lanicca, Fachberatungsbüro für Pflasterungen und Natursteinbeläge FPN, waren zunächst zwei Musterflächen erstellt worden. Eine Fläche testete den Belag mit starrer Verfugung, die andere mit gestoßenen Fugen. Vor allem aus Gründen einer einfacheren Platzreinigung wählte man die erste Variante. Im März 2013 begann ein zehnköpfiges Pflasterer-Team des Tiefbauunternehmens Walo BertschingerAG mit den Belagsarbeiten. Täglich wurden bis zu 100 m2 Steinparkett verlegt. In einem ersten Arbeitsgang bestrichen zwei Arbeiter die Unterseiten der 50 bis 130 cm langen Steinbalken (Querschnitt: 10x 10 cm und 10x 13 cm) mit einer dünnen Schicht eines Spezialklebers. Danach wurden die bis zu 40 kg schweren Steine mit mechanischen Hebezangen von Hand auf einer 5 cm dicken Monokornbeton-Schicht verlegt. Die 5 mm breiten Fugen wurden mit einem grauen weichen Trassmörtel (Körnung 2 mm) ausgefugt. Die in Feldern von 15 x 30 m angeordneten Dilatationsfugen dienen dazu, die durch hohe Temperaturschwankungen entstehenden Belagsspannungen aufzunehmen und so Dehnungsrisse zu reduzieren. Insgesamt benötigte man rund 130t Fugenmörtel und 6 t Flüssigzusatzmittel. „Um ein optisch einwandfreies Fugenbild über den gesamten Platz zu erzielen, war viel Präzision gefragt", erklärt der bei der Walo Bertschinger AG verantwortliche Bauführer Reto Portmann: „Besonders wichtig war es, die Fugen überall genau 5 mm breit auszubilden. Zu diesem Zweck entwickelten wir einen speziellen Distanzhalter, mit dem sich die Längs- und Querfugen gleichzeitig fixieren und kontrollieren ließen!' Ein sehr präzises und regelmäßiges Arbeiten erforderte auch dasGefälle von 1 %, das den Wasserabfluss sicherstellt.
Umweltfreundlich
Die Lieferung der Steine stellte das beauftragte Natursteinunternehmen, die Truffer AG in Vals/Graubünden, vor logistische Herausforderungen. Das Unternehmen hatte schon vor der Auftragsvergabe ein wirtschaftlich wie ökologisch überzeugendes Transportkonzept erarbeitet. Die Steine wurden werkseitig in Wechselpritschen zu je 14t verladen und per Lkw übereine schmale, kurvenreiche Gebirgsstraße zum Bahnhof des Städtchens Ilanz gefahren. Je zwei Pritschen wurden dort auf Waggons der Rhätischen Bahn (einer Schmalspurbahn) verfrachtet und auf dem Schienenweg nach Landquart (15 km nördlich vonChur) befördert, wo sie — wegen des Wechsels auf Normalspur — erneut umgeladen und jeweils nachts nach Zürich transportiert wurden. Aus einem Zwischenlager des Zürcher Tiefbauamts, teilsaber auch direkt, wurden sie schließlich „just intime" auf die Baustelle geliefert. Pia Truffer, Eigentümerin und Geschäftsführerin des Lieferunternehmens, und ihrem Mann Pius Truffer, war das umweltfreundliche Transportkonzept sehr wichtig. Stolz meint sie: „Dass eine Steinlieferung von über 4000t Gesamtgewicht größtenteils per Bahn abgewickelt werden konnte, ist selbst in der bahnfreundlichen Schweiz heute wohl einmalig."
Viel Technik im Untergrund
Den Belagsarbeiten waren aufwendige Arbeiten vorausgegangen. So war laut Jürg Kübler, Gesamtprojektleiter bei der WaloBertschinger AG, zunächst eine 30 cm dicke Humusschicht als Altlast abzuführen. In Teilbereichen wurden in mehreren Metern Tiefe archäologische Grabungen vorgenommen (das Baugebiet am Ufer des Zürichsees war einst von Pfahlbauern besiedelt). Auch waren umfangreiche Werkleitungen für Wasser, Kanalisation und Strom zu erstellen oder zu erneuern. Besondere Installationen waren für ein kreisrundes Wasserspiel sowie für den traditionell auf dem Platz gastierenden Schweizer Nationalzirkus Knie erforderlich. Für die Verankerung der Zirkuszelt-Abspannseile waren zahlreiche Spezialfundamente zu erstellen. Zum Abschluss der Arbeiten entstanden die Kiesinseln mit ihren 51 Bäumen. Dazu wurden Sitzbänke, Beleuchtungskörper und andere Außenraumöblierungen montiert. Bei der Auswahl der Bäume sei es in erster Linie darum gegangen, den Standortansprüchen gerecht zu werden. Ein Thema seien aber auch der Wuchs und die Herbstfärbung gewesen. „Einheimische Bäume hätten sich wegen der Hitzerückstrahlung und des Streusalzes an diesem Standort nicht geeignet", erklärtJürg Zollinger, Projektleiter beim Büro Vetschpartner Landschaftsardiitekten AG. Gepflanzt wurden Liriodendron tulipifera und Quercus rubra, eine Kombination, die im Herbst ein Farbenspiel von Gelb und Rot verspricht.
Schmutz verschwindet von selbst
Inzwischen wird der Platz schon seit über einem Jahr intensiv genutzt. Als negativ empfinden viele Zürcher einzig die nach Veranstaltungen zurückbleibenden Verschmutzungen. Der Valser Quarzit wurde diesbezüglich vorgängig gründlich getestet. Die Steinbalken wurden für längere Zeit von Lastwagen befahren, zudem machte man Tests mit Cola, Benzin, Öl und — im Hinblick auf den Zirkus— sogar mit Elefantendung. Es zeigte sich, dass sich die Verschmutzungen mit der Zeit aus dem sehr dichten Gestein selbst herausarbeiten. Kaugummiflecken lösen sich bei Frosttemperaturen. Mit einer Fläche von 1,6 ha ist der Zürcher Sechseläutenplatz laut Wikipedia hinter der Plainede Plainpalais in Genf (7,6 ha) der zweitgrößte innerstädtische Platz der Schweiz und hinter dem Markusplatz in Venedig, dem Petersplatz in Rom und dem Roten Platz in Moskau einer der größten in ganz Europa. Schade nur, dass er während fast der Hälfte des Jahres nicht in seiner ganzen Ausdehnung wahrgenommen werden kann, weil er dann nämlich von Zirkuszelten und Zirkuswagen oder sonstigen anderen temporären Bauten und Anlagen überstellt ist.